Verkehrswendestadt Wolfsburg


Wer regiert eigent­lich den Laden?

Im Aller-Urstrom­tal bei Fal­lers­le­ben wur­de Ende der 30er Jah­re unter Hit­ler die Volks­wa­gen­werk GmbH gege­rün­det.
Das Geld von zer­schla­ge­nen Gewerk­schaf­ten und der Ein­satz von
Zwangsarbeiter*innen bil­de­ten dabei  die Kapi­tal­grund­la­ge des Kon­zerns. Kurz vor Kriegs­en­de setz­te sich Anton Piëch, der Schwie­ger­sohn des dama­li­gen Geschäfts­füh­rers noch mit 10 Mil­lio­nen Reichs­mark nach Öster­reich ab, um davon den Auf­bau der Por­sche KG zu finan­zie­ren.

Nach dem zwei­ten Welt­krieg ging die Zustän­dig­keit für das Volks­wa­gen­werk an die bri­ti­sche Mili­tär­re­gie­rung über. Die­se über­gab das Unter­neh­men 1949 in die Treu­hand­schaft des Land Nie­der­sach­sen.

1960 beschloss der deut­sche Bun­des­tag die Pri­va­ti­sie­rung des in staat­li­cher Hand ste­hen­den Unter­neh­mens:  Die Volks­wa­gen AG wur­de gegrün­det. 60% der Akti­en wur­den an Pri­vat­per­so­nen aus­ge­ge­ben, jeweils 20% behiel­ten der Bund und das Land Nie­der­sach­sen. Durch ein eigens für Volks­wa­gen geschaf­fe­nes Gesetz hat­ten Bund und Land Nie­der­sach­sen mit jeweils 1/5 Kapi­tat­an­teil bei­de ein Veto­recht. Die Bun­des­re­gie­rung ver­kauf­te in den 80er Jah­ren jedoch alle ihre Antei­le.

Heu­te hal­ten drei gro­ße Play­er mel­de­pflich­ti­ge Antei­le an VW-Stamm­ak­ti­en: Die Por­sche Auto­mo­bil Hol­ding SE (unter Lei­tung der Fami­li­en Porsche/Piëch), das Land Nie­der­sach­sen und die Qatar Hol­ding LLC (Qata­ri­scher Staats­fonds).

 

 

Grundsteinlegung der KdF-Wagen-Fabrik bei Fallersleben durch den Führer. Der Führer vollzieht die drei Hammerschläge.
Bild aus dem Bun­des­ar­chiv: Grund­stein­le­gung der KdF-Wagen-Fabrik bei Fal­lers­le­ben durch den Füh­rer.
Das Land Nie­der­sach­sen hält 20% an der Volks­wa­gen AG und hat damit gesetz­lich ein Veto­recht bei wich­ti­gen Unter­neh­mens­ent­schei­dun­gen
Seit 2022 ist der Braun­schwei­ger Por­sche-Chef auch Vor­stand der Volks­wa­gen AG

Der Vor­stand

besteht aktu­ell aus 9 Mit­glie­dern:

  • Oli­ver Blu­me: Seit 2022 Nach­fol­ger von Her­bert Diess. Maschi­nen­bau­er und abge­ho­be­ner Tech­nik-Freak aus Braun­schweig. Treibt schon seit län­ge­rer Zeit die Fokus­sie­rung von Volks­wa­gen auf Elek­tro­mo­bi­li­tät vor­an. Fan von E‑Fuels. Ist gleich­zei­tig Por­sche-Vor­stand
  • Arno Ant­litz: Wirt­schafts­in­ge­nieur, seit 2004 zustän­dig für das welt­wei­te Pro­dukt­con­trol­ling der Mar­ke Volks­wa­gen, seit ’21 Chef für Finan­zen und seit ’22 für ope­ra­ti­ve Geschäf­te
  • Ralf Brand­stät­ter: kommt aus Braun­schweig, Mit­glied des Vor­stands der Volks­wa­gen AG für Chi­na
  • Man­fred Döss: Abtei­lung “Inte­gri­tät und Recht”, seit 2016 auch im Por­sche-Vor­stand
  • Mar­kus Dues­mann: hat schon ein paar gro­ße Auto­kon­zer­ne hin­ter sich. War schon bei Mer­ce­des und BMW, seit 2020 Chef von Audi, will auch mal auf der Auto­bahn Fahr­rad fah­ren
  • Gun­nar Kili­an: ist ein Wich­tig-Mensch als Vor­sit­zen­der der Auf­sichts­rä­te von MAN Ener­gy Solu­ti­ons, der Auto­stadt GmbH, der Volks­wa­gen Immo­bi­li­en GmbH, der Wolfs­burg AG, der Volks­wa­gen Group Ser­vices GmbH. Ist auch im Auf­sichts­rat von Audi, Sca­nia, MAN, TRA­TON und der Power­Co
  • Tho­mas Schä­fer: ist bei Mer­ce­des in den Auto-Kos­mos ein­ge­stie­gen. Seit 2020 Vor­stands­vor­sit­zen­der bei Ško­da. Seit 2022 ist er Chef der Mar­ke Volks­wa­gen
  • Tho­mas Schmall-von Wes­ter­holt: Geschäfts­be­reich “Tech­nik”, mar­ken­über­grei­fend ver­ant­wort­lich für Ent­wick­lung und Fer­ti­gung von Bat­te­rie­zel­len und ‑sys­te­men sowie die dazu­ge­hö­ri­ge Beschaf­fung
  • Hau­ke Stars: sitzt nicht nur bei VW, son­dern auch bei RWE und Kühne+Nagel (Logis­tik) im Auf­sichts­rat. War bis letz­tes Jahr Mit­glied des Bera­ter­krei­ses der Fra­port AG
 
 

Die Aktionär*innen

 

Stimm­rechts­ver­tei­lung (Stamm­ak­ti­en):


53,3% Por­sche Auto­mo­bil Hol­ding SE

20,0% Land Nie­der­sach­sen

17,0% Qatar Hol­ding LLC

9,7% Streu­be­sitz



Die im DAX gelis­te­ten Vor­zugs­ak­ti­en sind zu gro­ßen Tei­len im Streu­be­sitz. Größ­te Kapi­tal­eig­ne­rin ist aber auch da die Por­sche Auto­mo­bil Hol­ding SE mit aktu­ell 31,4% des gezeich­ne­ten Kapi­tals

Diagramm: Aktionärsstruktur bei Volkswagen Stimmrechtsverteilung* (Stand 31.12.2021) 53,3% Porsche Automobil Holding SE, Stuttgart 20,0% Land Niedersachsen, Hannover 17,0% Qatar Holding LLC 9,7% Streubesitz


Die Son­der­rol­le von Nie­der­sach­sen

Im Zuge der Pri­va­ti­sie­rung von Volks­wa­gen und der Umwand­lung eine Akti­en­ge­sell­schaft wur­de das Gesetz über die Über­füh­rung der Anteils­rech­te an der Volks­wa­gen­werk Gesell­schaft mit beschränk­ter Haf­tung in pri­va­te Hand (VWGmbHÜG), das soge­nann­te das soge­nann­te “VW-Gesetz”  erlas­sen. Damit nimmt Volks­wa­gen eine in Deutsch­land für eine Akti­en­ge­sell­schaft ein­zig­ar­ti­ge Rol­le ein:

Aus dem VW-Gesetz:

Beschlüs­se der Haupt­ver­samm­lung, für die nach dem Akti­en­ge­setz eine Mehr­heit erfor­der­lich ist, die min­des­tens drei Vier­tel des bei der Beschluß­fas­sung ver­tre­te­nen Grund­ka­pi­tals umfaßt, bedür­fen einer Mehr­heit von mehr als vier Fünf­tel des bei der Beschluß­fas­sung ver­tre­te­nen Grund­ka­pi­tals der Gesell­schaft.”

Über­setzt heißt das:
Das Land Nie­der­sach­sen mit sei­nen 20% Kapi­tal­an­teil hat bei allen Ent­schei­dun­gen, die Werks­stand­or­te oder Sat­zungs­än­de­run­gen betref­fen, ein Veto­recht. Die Lan­des­re­gie­rung kann sich also nicht vor wich­ti­gen Ent­schei­dun­gen des Auto­kon­zerns in Wolfs­burg weg­du­cken und sagen, sie hät­te kei­nen Ein­fluss auf den gro­ßen pri­vat­wirt­schaft­li­chen Play­er, denn das Land selbst ist (sogar durch ein eigens für VW erlas­se­nes Gesetz fest­ge­schrie­ben) Aktio­nä­rin mit Veto­recht. An allen Kon­zern­ent­schei­dun­gen trägt das Land Nie­der­sach­sen Mit­ver­ant­wor­tung.


Die Son­der­rol­le des Auf­sichts­rats

Aus dem VW-Gesetz (VWGmbHÜG):

Die Errich­tung und die Ver­le­gung von Pro­duk­ti­ons­stät­ten bedür­fen der Zustim­mung des Auf­sichts­rats. Der Beschluß bedarf der Mehr­heit von zwei Drit­tel der Mit­glie­der des Auf­sichts­rats.”

Wenn der Vor­stand also Ent­schei­dun­gen über Pro­duk­ti­ons­stät­ten tref­fen will, kann er das nicht ohne Zustim­mung des Auf­sichts­rats. Das ist so auch ein­zig­ar­tig unter Auto­mo­bil­un­ter­neh­men.

 

Aktu­ell sit­zen im Volks­wa­gen-Auf­sichts­rat:

  • Hans Die­ter Pötsch (Vor­sit­zen­der)
  • Hes­sa Sul­tan Al Jaber (Ehe­ma­li­ge Minis­te­rin für Infor­ma­ti­ons-und Kom­mu­ni­ka­ti­ons­tech­no­lo­gie, Qatar)
  • Man­so­or Bin Ebra­him Al-Mah­moud (CEO der Qatar Invest­ment Aut­ho­ri­ty)
  • Julia Wil­lie Ham­burg (Stell­ver­tre­ten­de Minis­ter­prä­si­den­tin Nie­der­sach­sens, nie­der­säch­si­sche Kul­tus­mi­nis­te­rin)
  • Harald Buck, (Vor­sit­zen­der des Gesamt- und Kon­zern­be­triebs­rats der Dr. Ing. h. c. F. Por­sche AG)
  • Danie­la Cavallo (Vor­sit­zen­de des Gesamt- und Kon­zern­be­triebs­rats der Volks­wa­gen AG)
  • Matí­as Car­ne­ro Sojo (Vor­sit­zen­der des Gesamt­be­triebs­rats SEAT)
  • Mari­an­ne Heiß (CEO der BBDO Group Ger­ma­ny GmbH)
  • Jörg Hof­mann (IG Metall)
  • Arno Hom­burg (Vor­sit­zen­der des Vor­stands der Volks­wa­gen Manage­ment Asso­cia­ti­on)
  • Loui­se Kies­ling (Unter­neh­me­rin)
  • Simo­ne Mahler (Vor­sit­zen­de des Betriebs­rats VW Finan­cial Ser­vices AG, Stand­ort Braun­schweig)
  • Peter Mosch (Vor­sit­zen­der des Gesamt­be­triebs­rats der AUDI AG)
  • Danie­la Nowak (Vor­sit­zen­de des Betriebs­rats Volks­wa­gen AG, Stand­ort Braun­schweig)
  • Michel Piëch
  • Oli­ver Por­sche (Vor­stand der Fami­lie Por­sche AG Betei­li­gungs­ge­sell­schaft)
  • Wolf­gang Por­sche (Vor­sit­zen­der des Auf­sichts­rats der Por­sche Auto­mo­bil Hol­ding SE und Vor­sit­zen­der des Auf­sichts­rats der Dr. Ing. h. c. F. Por­sche AG)
  • Jens Rothe (Vor­sit­zen­der des Gesamt­be­triebs­ra­tes und des Betriebs­ra­tes des Fahr­zeug­wer­kes Zwi­ckau der VW Sach­sen GmbH)
  • Con­ny Schön­hardt (Lei­te­rin Stabs­stel­le Mobi­li­tät und Fahr­zeug­bau beim IG Metall Vor­stand)
  • Ste­phan Weil (Nie­der­säch­si­scher Minis­ter­prä­si­dent)
 
14 die­ser Per­so­nen müs­sen Pro­duk­tis­stät­ten-Ent­schei­dun­gen zustim­men, 7 von ihnen kön­nen Pro­duk­tis­stät­ten-Ent­schei­dun­gen blo­ckie­ren. Die Hälf­te der Mit­glie­der (und damit die ent­schei­dungs­kri­ti­sche Men­ge) im Betriebs­rat sind Arbeitnehmervertreter*innen.